Bei der bauphysikalischen Betrachtung begrünter Flachdachaufbauten kommt es regelmäßig zu Fehlinterpretationen oder übervorsichtiger Auslegung und bauphysikalischer Bemessung von Bauteilschichten. Hierbei handelt es sich einerseits um die Dampfsperre auf der Innenseite als auch um die Abdichtung, bezüglich beider Bauteilschichten führen verschiedene Regelwerke unterschiedliche Anforderungen auf. Dabei werden Problematiken von Wasserdampfdiffusionsvorgängen betrachtet, die in der Praxis zu hinterfragen sind.
In der aktuellen Feuchteschutznorm DIN 4108-3 Wärmeschutz und Energie-Einsparung in Gebäuden–Teil 3: Klimabedingter Feuchteschutz –Anforderungen, Berechnungsverfahren und Hinweise für Planung und Ausführung (Stand 03-2024) werden in den nachweisfreien Konstruktionen von einschaligen Flachdachaufbauten sd-Werte ≥ 100m für die Abdichtungsbahn aufgeführt, sofern der sd-Wert geringer ist kann unter der Abdichtung auch ein Dämmelement mit einem sd-Wert ≥1.500m eingesetzt werden, um einen nachweisfreien Dachaufbau im Sinne der DIN 4108-3 zu erhalten. Genauer formuliert ist die Aussage, dass der sd-Wert ≥ 100m betragen sollte. Bei wörtlicher Auslegung führt dies mittlerweile häufig zur Annahme, Flachdachaufbauten mit üblichen PVC-P-Abdichtungsbahnen, die sd-Werte zwischen 20-30m aufweisen, könnten nur noch ausgeführt werden, wenn diese bauphysikalisch nachgewiesen werden, was nur durch eine hygrothermische Simulation möglich ist.
Hintergrund für die Forderung ist die Argumentation bei Betrachtung von Diffusionsvorgängen von der Außenseite ist , dass begrünte Flachdächer aufgrund der Speicherung von Niederschlagswasser im Begrünungssubstrat eine Feuchtezunahme im Dachaufbau durch Diffusionsvorgänge (nach innen) eintreten würden. Diese Systematik kann in der Praxis nicht beobachtet werden, begrünte Flachdachaufbauten mit PVC-P-Abdichtungsbahnen werden seit Jahrzehnten ausgeführt. Bei fachgerechter Abdichtungsausführung funktionieren diese Aufbauten, eine Feuchtezunahme aufgrund bauphysikalischer Vorgänge im Dachaufbau kann nicht beobachtet werden, es wird von Seiten der Norm ein Problem geschaffen, das in der Praxis nicht existiert.
Insofern ist kritisch zu hinterfragen, ob die DIN 4108-3 an dieser Stelle die “allgemein anerkannte Regel” der Technik darstellt oder ob es Sinn einer Norm ist, diese rein der Norm wegen baulich umzusetzen.
Eine ganz andere Betrachtungsweise ist in der Fachregel für Abdichtungen-Flachdachrichtlinie zu finden. In diesem Regelwerk ist ausgeführt, Dampfsperren mit sd-Werten >1.500m hätten sich bewährt, aus dieser Aussage wird häufig geschlossen, dass Flachdachaufbauten mit Dachbegrünungen grundsätzlich mit dampfdichten Dampfsperren ausgeführt werden müssen. Bei der bauphysikalischen Beurteilung von begrünten Flachdachaufbauten mittels hygrothermischer Simulation fällt auf, dass Dachaufbauten, die mit Dampfsperren mit geringeren sd-Werten (z.B. 100m) erstellt werden, geringere Endfeuchtegehalte aufweisen. Dies lässt sich mit einem höheren Austrocknungspotenzial nach innen erklären, als dies bei dampfdichten Stoffen der Fall wäre, insofern kann diese Aussage nicht bestätigt werden.
In Anbetracht des steigenden Marktanteils von Dachbegrünungen (was grundsätzlich positiv ist) können derartige Formulierungen in Regelwerken in Zukunft noch zu großen Problemen für die Baubeteiligten führen und weisen ein hohes Streitpotenzial auf. Grundsätzlich lassen sich Flachdachabdichtungen mit Begrünungen bei fachgerechter und luftdichter Ausführung der Dampfsperre sowie bei fachgerechter Ausführung der Dachabdichtung auch bei Abweichung von den hier genannten Regelwerken funktionstüchtig ausführen.
Vielmehr als bauphysikalische Probleme führen bei begrünten Flachdächern mangelhaft ausgeführte Abdichtungen zu Schäden, insofern ist zu hinterfragen, ob einlagige PVC-P-Abdichtungen unter Begrünungen bautechnisch sinnvoll sind oder ob mit mehrlagigen bituminösen Abdichtungen gearbeitet werden sollte.
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