In der Praxis führt die Diskussion um notwendiges Gefälle auf Flachdächern immer wieder zu Unstimmigkeiten zwischen Planern, Bauleitern, Bauherren und Handwerkern.

Während erstgenannte häufig die Auffassung vertreten, dass stehendes Wasser insbesondere bei einem geplanten Gefälle (z.B. durch eine Gefälledämmung oder die Unterlage als Gefälleestrich etc.) einen Mangel darstellt, verweisen Dachdecker auf Regelungen in den einschlägigen Richtlinien.

Wer hat Recht?

Wenn man die einschlägigen Richtlinien zu Rate zieht, lässt sich folgendes entnehmen:

Fachregel für Abdichtungen-Flachdachrichtlinie Stand 03/2020, herausgegeben vom Zentralverband des Deutschen Dachdeckerhandwerks:

“2.2 Dachneigung Gefälle

(1) Die Unterlage der Abdichtung soll für eine Ableitung des Niederschlagswassers mit einem Gefälle von mindestens 2% in der Fläche geplant werden.

(2)Gefällelose Flächen können in begründeten Fällen, z.B.

-infolge reduzierter Anschlusshöhen an Türen

-konstruktiv vorgegebene Lage der Entwässerungseinrichtungen, die eine Gefällegebung nicht ermöglichen,

-Bestandsgebäude mit vorgegebener Lage der der Entwässerungseinrichtungen

-Intensivbegrünungen oder erdüberschüttete Flächen mit Anstaubewässerung

-baurechtliche Anforderungen, die eine Gefällegebung nicht ermöglichen,

geplant und ausgeführt werden

[…]

(3)Das tatsächliche Gefälle kann infolge von vorhandenen Toleranzen/Abweichungen vom planmäßigen Gefälle abweichen.

[…]

(5) Selbst auf Flächen mit einer Neigung bis zu 5% (ca.3°) kann, bedingt durch die Durchbiegung und/oder zulässige Toleranzen in der Ebenheit der Unterlage, der Dicke der Werkstoffe, durch Überlappungen und Verstärkungen Pfützenbildung vorkommen.

(6)Besteht die Gefahr, dass sich geringfügige, aber länger einwirkende Mengen stehenden Wassers schädigend auf Schutz- und Belagsschichten auswirken (z.B. bei Plattenbelägen im Mörtelbett), soll durch eine planmäßige Gefällegebung oder andre Maßnahmen für eine Wasserableitung gesorgt werden.”

Wie ist dieser Abschnitt der Fachregel zu werten?

Es hängt vom Einzelfall ab und  was genau  geplant wurde. Wenn eine Gefälledämmung mit 2% Gefälle geplant und ausgeführt wird, ist es wohl nicht zu akzeptieren, wenn 10 cm Wasser auf dem Flachdach verbleiben. Wenn eine Anstaubewässerung für eine Dachbegrünung geplant ist, führt der Umstand von stehendem Wasser auf der Abdichtung nicht zu einem Mangel, da das Wasser planmäßig gestaut wird. Es ist im Einzelfall zu prüfen, welche Auswirkung fehlendes Gefälle oder verbleibendes Wasser auf dem Flachdach hat. Dies kann, wie im obigen Zitat aus der Flachdachrichtlinie, z.B. bei einem Nutzbelag der Fall sein, der durch stehendes Wasser beeinträchtigt wird.

Ferner hat die grundsätzliche Bauaufgabe einen Einfluss, ggf. kann beim Bauen im Bestand eben aufgrund der Konstruktion kein Gefälle nachträglich erstellt werden. Führt ein simpler handwerklicher Fehler, wie der Einbau eines Gullys ohne diesen tiefer einzulassen  zu stehendem Wasser, kann dieser Umstand als Mangel gewertet werden. Der Eigentümer einer Lagerhalle hat in der Regel andere Vorstellungen und Ansprüche, als der Bauherr einer Wohnimmobilie mit gehobener Ausstattung.

Im linken Bild wurde der Dachgully der Unterdruckentwässerung mit Steinen umfasst, wodurch die  Funktionsfähigkeit der Dachentwässerung beeinträchtigt wurde. Dadurch ergab sich ein Wasseranstau von bis zu 15 cm auf einem Industrieleichtdach. Dieser Umstand war nicht zu akzeptieren, da dadurch eine zu hohe Gewichtsbelastung des Dachtragwerkes vorhanden war.Als Zusammenfassung kann man festhalten, dass die Frage nie grundsätzlich beantwortet werden kann und viele Einflussgrößen dazu führen, dass es sich um einen komplexen Sachverhalt handelt. Wenn der Mangelvorwurf erst einmal im Raum steht, kann ein qualifizierter Sachverständiger als unabhängiger Dritter den Umstand bewerten und beim Vorliegen eines technischen Mangels Lösungsmöglichkeiten aufzeigen.

 

 

 

 

 

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